KÄLTE, EIS & SCHNEE
Kältewellen
Eine Kältewelle ist eine starke Abkühlung auf unterdurchschnittliche
Werte der Lufttemperatur, die mehrere Tage bis wenige Wochen andauern
kann. Ein erstes Indiz auf Kältewellen sind besonders niedrige
Monatstemperaturen. Am Beispiel der österreichischen Januar-Temperaturen
wird die starke Variabilität der Wintertemperaturen auf, die von Jahr zu
Jahr stark schwankt. Angesichts der großen Fluktuationen hängen Trends
stark vom gewählten Zeitraum ab (Abb.
1). Löscht man die ersten beiden Jahre in der Januar-Reihe heraus,
so verkehrt sich der lineare Trend der Entwicklung ins Gegenteil (Abb.
2).
Abbildung 1: Entwicklung der durchschnittlichen Temperatur des Monats Januar in Österreich während der letzten drei Jahrzehnte (1986-2015) . Daten: CRU via Weltbank.
Abbildung 2:
Entwicklung der
durchschnittlichen Temperatur des Monats Januar in Österreich während
der letzten drei Jahrzehnte, verkürzt gegenüber Abb. 1 um die beiden
Anfangsjahre 1986 und 1987 (1988-2015). Daten:
CRU via
Weltbank.
Die Anzahl an Tagen mit mäßigem Dauerfrost (Tage mit einer Höchsttemperatur unter –5° C) hat sich in Österreich während der vergangenen Jahrzehnte reduziert. In Wien fiel der Wert von durchschnittlich acht Tagen pro Jahr zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf zuletzt zwei Tage, in Innsbruck von sieben auf einen Tag und in Bregenz von vier auf einen Tag (Abb. 3).
Abbildung 3: Entwicklung der jährlichen Tage mit mäßigem Dauerfrost in Bregenz, Innsbruck-Universität und Wien-Hohe Warte 1901–2016. Dargestellt sind Jahreswerte (Balken) und Mittelwerte der Zeiträume 1901–1930, 1931–1960, 1961–1990 sowie 1991–2016 (Linien). Fehlende Jahre sind grau hinterlegt. Quelle: ZAMG.
Betrachtet man
die letzten 250 Jahre, so fällt neben der Variabilität auch eine
allmähliche Anhebung des Niveaus der Wintertemperaturen in Österreich
seit 1900 auf (Abb. 4). Dies
entspricht dem Übergang von der Kleinen Eiszeit zur Modernen
Wärmeperiode und passt daher gut ins Bild.
Abbildung 4: Entwicklung der mittleren Wintertemperatur (blau) und Sommertemperatur (rot) in Österreich 1767–2017. Dargestellt sind jährliche Abweichungen vom Mittel der Jahre 1961–1990 (dünne Linien) und deren geglättete Trends (dicke Linien, 21-jähriger Gauß’scher Tiefpassfilter) (Auer u.a. 2007). Graphik: ZAMG.
Geht man noch weiter zurück bis zur
Mittelalterlichen Wärmeperiode (MWP, 1000-1200 v. Chr.), vervollständigt
sich der klimahistorische Kontext weiter.
Eine
Forschergruppe um Monica Ionita untersuchte auf Basis historischer
Berichte die Eisbildung der unteren Donau als Indikator für besonders
kalte Winter. Die Ergebnisse weisen auf eine langspannige Schwankung
hin, die sich im Maßstab von Jahrhunderten ereignete. Noch im
Mittelalter gab es zwischen 1000-1550 n. Chr. sehr wenig Eis auf der
Donau. Im Übergang zur Kleinen Eiszeit fror die untere Donau jedoch
immer häufiger zu. Am meisten Eis gab es während des Maunder Minimums
(1645-1715) und Dalton Minimums (1790-1830), zweier Phasen während der
die Sonnenaktivität drastisch absackte. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts
nahm die winterliche Eisbildung auf der unteren Donau als Folge der
modernen Erwärmung wieder stark ab. Andere Studien fanden einen
ähnlichen Zusammenhang zwischen Kälteentwicklung und reduzierter
Sonnenstrahlung. So fallen auch die
kalten 1430er Jahre
in Nordwest- und Mitteleuropa in eine Phase schwacher solarer Aktivität,
nämlich das sogenannte Spörer Minimum.
Schnee
Laut Untersuchungen im Rahmen der Studie SNOWPAT haben haben die Schneehöhen und die Dauer der Schneebedeckung in den meisten Regionen Österreichs seit 1950 abgenommen. Dieser langfristige Trend ist jedoch von starken Schwankungen und kurzen Trends überlagert, die von Winter zu Winter oder teils sogar bis zu 20 Jahre dauern können. An 12 der 15 Messorte zeigte sich über den gesamten Zeitraum eine signifikante Abnahme der mittleren und maximalen Schneehöhen sowie der Schneedeckendauer (Abb. 5). Das gilt für alle Höhenlagen und alle Regionen mit Ausnahme der Region Nordost (Ober- und Niederösterreich sowie Teile des Burgenlands), da hier der Niederschlag aufgrund vermehrter Nord- und Nordwestwetterlagen im Zeitraum von 1995 bis 2005 zugenommen hat. Dieser langfristig abnehmende Trend wird größtenteils durch eine sprunghafte Abnahme der Schneedecke am Ende der 1980er Jahre ausgelöst, der als sprunghafte Erwärmung auch in den Zeitreihen der Wintertemperaturen zu sehen ist.
Abbildung 5: Entwicklung der Gesamtschneehöhe für ausgewählte Messstationen in Österreich, gruppiert für die Höhenbereiche 1) höher als 1300 m über Normalnull, 2) 800-1300 m und 3) flacher als 800 m. Graphik: ZAMG.
In den letzten Jahrzehnten hat sich zudem die
Wahrscheinlichkeit für weiße Weihnachten in tiefen Lagen Österreichs
halbiert, wie eine
Auswertung der ZAMG für die Jahre seit 1951 zeigt. In Wien betrug
die Wahrscheinlichkeit Weißer Weihnacht in den letzten drei Jahrzehnten
22%, während es in den drei Jahrzehnten davor noch zu 38% aller
Weihnachtsfeste gecshneit hatte.
Zu beachten ist jedoch, dass Schneedaten keine
einfaches Forschungsgebiet sind. Die ZAMG erläutert die Probleme bei der
Arbeit mit Schneestatistiken in Österreich
auf ihrer Webseite:
„Wegen dieser
starken natürlichen Schwankungen sind Aussagen über Schneetrends nur mit
Zeitreihen ab etwa 50 Jahren sinnvoll", sagt ZAMG-Klimaforscher Olefs,
„nur so lassen sich die natürlichen Schwankungen von den langfristigen
Änderungen unterscheiden, die durch die vom Menschen beeinflussten
Klimaerwärmung entstehen." Wie komplex die Entwicklungen in den
unterschiedlichen Zeiträumen, Regionen und Höhenlagen sein kann,
erläutert Olefs anhand der Zahlen der Messstationen am Arlberg: „Für
Lech am Arlberg findet sich kein signifikant abnehmender Trend über den
Gesamtzeitraum 1950 bis 2017. An der Messstation St. Anton am Arlberg
ist ein langfristig abnehmender Trend nur bei der maximalen Schneehöhe
und der Schneedeckendauer zu sehen, nicht aber bei der mittleren
Schneehöhe. Andere Stationen am Arlberg, wie Langen und Zürs, zeigen
hingegen auch für die mittlere Gesamtschneehöhe eine signifikante
langfristige Abnahme."
Angesichts der starken Variabiltät, lohnt ein Blick
auf Schneestatistiken, die mehr als 100 Jahre zurückreichen. Ein solcher
Datensatz liegt z.B. aus den Obertauern für die maximalen Schneehöhen
vor (Abb. 6). In den 1920er
und 30er Jahren trat eine schneeärmere Phase auf, die Ähnlichkeiten mit
den letzten Jahrzehnten aufweist.
Abbildung 6: Jährliche maximale Schneehöhen in Obertauern von 1908/09 bis 2015/16. Daten: Hydrographischer Dienst Tirol. Grafik: www.zukunft-skisport.at.
Aus dem Kitzbühel-Tal liegt eine Schneefall-Statistik für die letzten 200 Jahre vor. Wieder sind starke Schwankungen im Schneefall zu erkennen, jedoch auch eine langfristige Abnahme der Schneemengen (Abb. 7). Dies passt gut ins Bild angesichts des Übergangs von der Kleinen Eiszeit zur Modernen Wärmeperiode. Schneefalldaten aus der Mittelalterlichen Wärmeperiode vor 1000 Jahren liegen leider nicht vor, würden aber wichtige Referenzdaten für den modernen Schneefall in Österreich bilden.
Abbildung 7:
Niederschlagszeitreihen für Kitzbühel für die vergangenen 200 Jahre.
Dunkelblaue Linie stellt den Schneefall dar. Dünne Linien markieren die
Einzeljahre, dicke Linien den 20-jährigen Filter daraus (Böhm 2008).
Graphik:
ZAMG.
Gletscher
Im Jahr 1998
gab es in Österreich 925 Gletscher oder Eiskörper mit mehr als 1 ha
Fläche, die zusammen 452 Quadratkilometer bedeckten, wobei sich 50 % der
österreichischen Gletscherfläche sich in den beiden Gebirgsgruppen
Ötztaler Alpen und Venedigergruppe befindet. Alle vermessenen Gletscher
Österreichs haben im Zeitraum seit 1980 deutlich an Fläche und Volumen
verloren. So hat z. B. in den südlichen Ötztaler Alpen, dem größten
zusammenhängenden Gletschergebiet Österreichs, die Gletscherfläche von
144,2 km² im Jahre 1969 auf 126,6 km² im Jahre 1997 und 116,1 km² im
Jahre 2006 abgenommen (APCC 2014).
Zuvor hatte es in den 1960er und 1970er Jahren jeweils für wenige Jahre
beachtliche Gletschervorstöße in Österreich gegeben (Abb. 8). Langfristig ist jedoch ein deutlicher Schmelztrend über die
letzten anderthalb Jahrhunderte zu verzeichnen. Dieser Eisverlust passt
gut ins Bild des Temperaturanstiegs im Zuge der Wiedererwärmung nach der
Kleinen Eiszeit.
Abbildung 8: Jährliche Eismassenbilanzen des Hintereisferners 1952-2011. Negative Werte bedeuten Eisschmelze, positvive Werte markieren Eiszuwachs. Quelle: APCC 2014 nach Fischer et al. (2012).
Wichtig ist jedoch auch der längerfristige
Klimakontext. Noch vor 1000 Jahren - zur Zeit der Mittelalterlichen
Wärmeperiode - waren viele Alpengletscher ähnlich kurz wie heute. Im
Übergang zur Kleinen Eiszeit
wuchsen die Alpengletscher dann stark an, wobei sie in der Regel
ihre größte Ausdehnung der gesamten letzten 10.000 Jahre erreichten.
Gegen Ende der Kleinen Eiszeit setzte dann der Schmelztrend ein, der
noch heute anhält. So wurden in den Schweizer Gletschern häufig
Holzfunde
aus der Zeit um 1000 n. Chr. gemacht, also aus der Mittelalterlichen
Wärmephase stammend. Offensichtlich waren Teile der heutigen
Gletschergebiete damals während starker Gletscherrückzugsphasen
bewaldet.
Eine noch intensivere Schmelzphase trat in den Alpen bereits vor
8000-4000 Jahren auf, während des sogenannten
holozänen thermischen Maximums (HTM), als viele Alpengletscher
kürzer waren als heute (Abb.
9). Am Gepatschferner lag die Baumgrenze damals z.T. deutlich
höher als heute. Gletschervorschübe und –rückzüge wechselten dort
während der letzten 4000 Jahre stetig (Nicolussi
& Kerschner 2014). Der Österreichische Sachstandsbericht Klimawandel
2014 fasst die vorindustriellen Veränderungen der Gletscherlängen in
Österreich wie folgt zusammen (APCC
2014, S. 79):
"Die Gletscher
waren im Alpenraum während der letzten rund 11 000 Jahre [Holozän]
gekennzeichnet durch lang andauernde Perioden mit vergleichsweise
geringer Ausdehnung im frühen und mittleren Holozän (bis vor rund 4 000
Jahren) und mehrfache sowie weitreichende Vorstöße in den folgenden
Jahrtausenden, die in den großen Gletscherständen der „Kleinen Eiszeit“
(ca. 1260 bis 1860 n. Chr.) kulminierten. Die gegenwärtigen
Gletscherausdehnungen wurden im Früh- und Mittelholozän mehrfach sowohl
unter- als auch überschritten."
Hagel
Als Hagel wird fester Niederschlag bezeichnet, der aus Eis besteht
und einen Durchmesser von mindestens 5 mmm hat. Aufgrund der relativ
geringen räumlicher Ausdehnung von Hagelstreifen und der kurzen Dauer
der Hagelschauer von wenigen Minuten ist Hagel ein nur äußerst schwierig
quantitativ zu erfassendes meteorologisches Phänomen. Über Zu- oder
Abnahme von Hagel lasen sich derzeit keine abgesicherten Aussagen
machen. Der Österreichische Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (APCC
2014) erklärt zu Hagel, Schnee, Gewitter, Tornados und anderen
kleinräumigen Extremereignissen:
Für keinen
dieser potenziell schadensverursachenden Klima- und Wetterparameter
können zurzeit sinnvolle Aussagen über mögliche Trends gemacht werden,
die auf homogenen Zeitreihen beruhen, statistisch signifikant sind, das
Kriterium einer gewissen Zeitreihenlänge erfüllen, Österreich abdecken
und deren räumliche Messnetzdichte im Hinblick auf die gegebene
räumliche Variabilität ausreichend ist. Zumindest eines der angeführten
Defizite, meist aber mehrere sind für diese Parameter so gravierend,
dass sie sinnvolle Analysen (noch) nicht erlauben.
In der Tschechichen Republik hat die Hagelhäufigkeit während der letzten 100 Jahre offenbar abgenommen (Brazdil et al. 2016). Aufgrund der schlechten Beobachtungsdatenbasis entwickelten Mohr et al. 2015 ein Modell für Europa, das für die vergangenen 60 Jahre jedoch keinen Trend fand.